Mehr Daten, weniger Verschwendung
Offene Daten sind Gold wert. Ein Projekt der CKW hat kürzlich aufgezeigt, dass öffentlich zugängliche Stromverbrauchsdaten für alle einen Mehrwert darstellen. Doch auch private Smart-Meter-Daten werden den Verbrauchern schon bald helfen – und ihre Begeisterung für Dashboard-Analysen wecken.
Der Bund hatte im Winter 2022/23 zum Stromsparen aufgerufen – und die Luzerner scheinen mitgemacht zu haben. Ein Projekt der CKW, das den Stromverbrauch ihrer 75 Gemeinden über zwei Jahre hinweg analysierte, lässt dies zumindest vermuten. «Wir sahen, dass der Stromverbrauch im Winterhalbjahr 2022/23 temperaturkorrigiert um neun Prozent tiefer war als im Vorjahreszeitraum», erklärt Angela Steffen, Marketing bei CKW. Die promovierte Verhaltensökonomin hat die seit Kurzem dank den Smart Metern erfassbaren Verbrauchsdaten miteinander verglichen. Dabei hatte sie Abweichungen aufgrund von Temperatureffekten und Parameter wie Wochentage oder Ferien, an denen der Energieverbrauch tiefer ist, mitberücksichtigt. Das Ergebnis: Im Winter 2022/23 wurde im Vergleich zum Vorjahr ein Strombedarf von 8800 durchschnittlichen Vierpersonen-Haushalten weniger verbraucht. Ob sich der Stromspar-Appell auf den Verbrauch ausgewirkt hatte?
Um 100 Prozent sicher zu sein, müssten weitere Einflüsse berücksichtigt werden wie die Sonnenscheindauer, die Auswirkungen der Pandemie-Einschränkungen, die Elektrifizierung von Heizungen oder der Ausbau von Solaranlagen. Das wäre sehr aufwendig. Auch die Daten von mehreren vergangenen Wintern wären hilfreich. Mit der Temperatur wurde aber der wichtigste Faktor miteinbezogen, der gemäss der CKW-Daten 86 Prozent der Stromverbrauchsschwankungen erklärt. Und die erwähnten neun Prozent – also knapp ein Zehntel – stellen ein signifikantes Minus dar. «Wir waren vom Ausmass überrascht und konnten in den Daten keinen anderen Grund ausfindig machen», sagt die Datenforscherin, die sich in ihrer Freizeit das Programmieren selbst beigebracht hat und nur ein Minus von fünf Prozent erwartet hatte.
Bei der Datenanalyse hat Angela Steffen noch etwas anderes bemerkt: 0,38 Kilowattstunden weniger Strom (pro Smart Meter) verbrauchen die Haushalte im Tag, wenn die Aussentemperatur um ein Grad höher ist.
Transparenz und Datenschutz: Wie geht das?
Gemäss Stromversorgungsgesetz müssen die Netzbetreiber mindestens 80 Prozent der alten Stromzähler bis 2027 durch Smart Meter ersetzen. Schon bald werden diese also im 15-Minuten-Takt Verbrauchsdaten liefern und damit ein grosses Nutzenpotenzial eröffnen. Im Vergleich zum jährlich abgelesenen Stromzählerwert stehen dann pro Smart Meter rund 35 000 Datenpunkte im Jahr zur Verfügung. Dies ermöglicht genaue Einblicke in den Stromverbrauch über 24 Stunden hinweg, wodurch Verbrauchsphänomene aufgedeckt und Effizienzsteigerungen vorgenommen werden können.
Doch wie steht es um den Datenschutz? Die beiden von CKW veröffentlichten Datensätze wurden in anonymisierter Form zusammengeführt. Der erste umfasst sämtliche erfassten Daten pro Smart Meter im ganzen Versorgungsgebiet, der zweite die innerhalb der Gemeinden aggregierten Verbrauchsdaten. Mithilfe von Auswertungen auf Gemeindeebene können regionale Unterschiede im Verbrauchsverhalten oder Einflüsse lokaler Ereignisse wie zum Beispiel Feste oder Feiertage auf den Stromverbrauch untersucht werden.
Ausgewertet wurden nur Daten, die keine Rückschlüsse auf einzelne Verbraucher zulassen. So wurden etwa Postleitzahlen mit weniger als zehn Smart Metern in den publizierten Daten ausgeschlossen. Auch industrielle Grossverbraucher mit einem Verbrauch von über 25 Megawattstunden pro Jahr wurden nicht miteinbezogen. Denn gerade im Industriebereich ist der Datenschutz kritisch. Zum Beispiel, wenn ein stromintensives Werk in einer kleinen Gemeinde ansässig ist und dessen Verbrauch selbst in den anonymisierten Daten ersichtlich wird. «In solchen Fällen könnten Geheimhaltungsvereinbarungen Abhilfe schaffen», fährt Angela Steffen fort. «Die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen hat für uns oberste Priorität. Die Smart-Meter-Daten dürfen nur veröffentlicht werden, solange die Anonymität der Daten gewährleistet wird.»
Clusteranalysen und Visualisierung
Spannend wird es bei den sogenannten Clusteranalysen. Mit Hilfe von Clustering-Algorithmen werden Ähnlichkeitsstrukturen in Datensätzen entdeckt. So könnte zum Beispiel über das bezogene Stromprodukt herausgefunden werden, ob Bezüger grüner Stromprodukte mehr oder weniger verbrauchen. Dabei könnte beliebig weitergefiltert werden auf Privat- oder Geschäftskunden oder die Anzahl Personen im Haushalt. Auf Gemeinde-Ebene hingegen wäre es interessant zu sehen, ob Ortschaften mit bestimmten soziodemografischen Eigenschaften, wie zum Beispiel die Altersstruktur oder die vorhandenen Wohnformen, mehr oder weniger Strom verbrauchen.
Fest steht, dass dank der intelligenten Zähler die Stromnetze langfristig effizienter und günstiger werden. Zudem können Dienstleister allfällige Leistungsschwankungen besser abfedern und Strommangellagen antizipieren. In anderen Worten: Auf dem Weg zum «Smart Grid» sind wir in drei Jahren einen Schritt weiter.
Das klingt zu trocken? Wo Daten ausgewertet werden, mögen diese auch übersichtlich dargestellt werden: Visualisierungen anhand von interaktiven Dashboards werden hier den Zugang vereinfachen und Verbraucher für den energetischen Fussabdruck ihres Haushaltes, Firma oder Gemeinde sensibilisieren. So wird zum Beispiel auf der Plattform der EWZ schon jetzt der statistisch zu erwartende mit dem effektiven Stromverbrauch mittels maschinellen Lernens verglichen.
Den eigenen Verbrauch verstehen
Besonders lehrreich und finanziell interessant wird es aber im privaten Bereich. Ohne öffentliche Datenschutzbarrieren werden Anwender das Potenzial ihrer Smart-Meter-Daten noch besser ausschöpfen können. Der «Energy Tracker» von CKW bietet beispielsweise heute schon Funktionen, die in diese Richtung gehen. Bald soll diese App durch ein neues Kundenportal ersetzt werden, das dem Nutzer intuitivere und umfassendere Analysemöglichkeiten zu ihrem Stromverbrauch zur Verfügung stellt. Damit bleibt der exakte Verbrauch einzelner Geräte zwar noch Zukunftsmusik, da hierfür ein zusätzliches Messsystem benötigt würde. Doch mittels der Viertelstundendaten ist der Algorithmus in der Lage, den Verbrauch einzelner Verbrauchskategorien wie «Kochen», «Waschen», «Beleuchtung» usw. präziser und über 24 Stunden hinweg zu schätzen.
Ansprechend werden vermutlich die neuen Vergleichsmöglichkeiten sein. «Im zukünftigen Kundenportal kann jeder sein Profil hinterlegen und den eigenen Verbrauch mit ähnlichen Profilen vergleichen», nimmt Angela Steffen vorweg. Ob damit auch Sparmuffel zum Stromsparen angeregt werden? Jedenfalls soll das Optimierungspotenzial markant wachsen – zumindest innerhalb des Datenpools des eigenen Stromanbieters.
Open Data – Unerwartet grosses Interesse
Zurück zum Open-Data-Projekt. Im Vergleich zu anderen Bereichen hegen die Schweizer bei den Stromverbrauchsdaten offenbar keine Sicherheitsbedenken. «Wir waren vom grossen Interesse und positiven Feedback überrascht», erinnert sich Angela Steffen. «Nachdem wir als erster Energiedienstleister Verbrauchsdaten veröffentlicht haben, sind wir in einen konstruktiven Dialog mit Medien und Wissenschaft getreten.» Darüber hinaus sind eine Handvoll Bachelor- oder Masterarbeiten entstanden, die sich dem Thema widmen.
In Zukunft will CKW die Verbrauchsdaten auch auf Plattformen wie Zenodo publizieren oder in der ETH-Bibliothek ablegen, um sie Forschungszwecken zur Verfügung zu stellen. Ebenso sollen beispielsweise Tarifinformationen oder Daten der TRA-Rundsteuersignale in die veröffentlichten Datensätze integriert werden. Der Grundsatz dahinter: Mehr Daten führen zu mehr Erkenntnissen.
Schliesslich bilden die von den Smart Metern gelieferten Daten auch eine solide Grundlage für die Zukunft eines übergreifenden Energiemanagements – das auch Wasser und andere Energieträger wie Erdgas miteinbeziehen könnte.
Seit Oktober 2023 veröffentlicht die CKW AG detaillierte Smart-Meter-Daten zum Stromverbrauch im Kanton Luzern. Der Energiedienstleister stellt die Daten auf ckw.ch/opendata kostenlos zur Verfügung. Zu Beginn des Pilotprojektes hatten 70 Prozent der 180 000 grundversorgten Kunden im Versorgungsgebiet der CKW einen intelligenten Stromzähler installiert, mittlerweile sind es 90 Prozent. Ab diesem Sommer werden sämtliche CKW-Kunden Smart Meter insgesamt 3,8 Milliarden Datenpunkte im Jahr liefern. Die im Rahmen des Projektes analysierten Verbrauchswerte lieferten Privathaushalte und Kleinbetriebe im Niederspannungsnetz mit einem Jahresverbrauch unter 25 000 Kilowattstunden im Zeitraum von Anfang 2021 bis Frühling 2023. Mit den Messungen im 15-Minuten-Takt lieferte jeder der damals 110 000 Zähler 96 Beobachtungen pro Tag. Das Projekt wurde von einem interdisziplinären Team bestehend aus zwei Dateningenieuren der Axpo und vier Mitarbeitenden der CKW AG realisiert.