EMV-Störungen – und der Betrieb steht still

Eine Neuverlegung der Netzwerkkabel sollte für Ordnung sorgen und führte stattdessen zu Totalausfällen in einem Lebensmittelbetrieb. Wie EMV-Störungen von Frequenzumrichtern plötzlich zuschlagen können und welche Massnahmen helfen, die Betriebssicherheit zu gewährleisten – eine Übersicht aus der Praxis.

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Quelle: Pixabay - Anna

Jahrelang ist alles rund gelaufen im Produktionsbetrieb für Lebensmittel. Die Produktion wurde immer wieder modernisiert und im Zuge der Digitalisierung kamen neue Produktionsüberwachungs-PCs und zahlreiche Netzwerkkabel dazu. Im Rahmen der Saison-Wartung wurden alle diese Netzwerkkabel dann endlich sauber in die Kabeltrassen verlegt – und die Probleme nahmen ihren Anfang.

Die Produktionslinien liefen keine Stunde mehr ohne Absturz. Die Folge: Betriebselektriker mit Augenringen, Nachtschichten, gestrichene Ferien, Dutzende Tonnen Pufferlager. So hat sich der Betrieb die Digitalisierung definitiv nicht vorgestellt. Trotz einer vermeintlichen Verbesserung durch die digitale Offensive stürzten mehrere Komponenten der Maschinensteuerung und etliche Computer im Kontrollraum regelmässig ab.

Die Ursache der Probleme war nicht einfach zu finden. Es stellte sich aber heraus, dass EMV-Störungen die Ausfälle verursachten. Diese stehen oft im Zusammenhang mit Frequenzumrichtern, auch wenn dies nicht immer offensichtlich ist. Mit diesen Störströmen ist es dabei wie beim Bauen von Sandburgen: Leert man oben Wasser drauf, dann entstehen stets wieder neue Wege. Das Wasser kommt unten raus. Immer. Die Lösung: Möchte man verhindern, dass die Störströme Schaden anrichten, muss man ihnen den Weg vorgeben.

Die Störungen waren schon da

Im erwähnten Produktionsbetrieb sind die Störungen nicht durch die Ethernetkabel entstanden. Mit dem Verlegen der Kabel in die Trassen wurden diese nun aber neben den Motorenleitungen geführt. Dadurch stellten sie neue, für hohe Frequenzen attraktive Verbindungen zwischen dem Erdpotenzial der Maschine und dem des Kontrollraumes her. Die entstandenen Ausgleichsströme im Megahertz-Bereich gelangten nun über die Netzwerkkarten der PCs und führten zum Ausfall. Die Lösung hier: ein optisches Netz.

Es braucht Störabstand

Um die ganze Situation zu verdeutlichen, hilft folgendes Beispiel. Ein Flugzeug fliegt im knappen Abstand über dem Ozean. Das kann den ganzen Flug über gut gehen, erscheint dann aber eine Welle, die etwas höher als gedacht ist und/oder fliegt der Pilot ein wenig zu tief, kommt es zum Crash. Die Frage, die sich nun stellt: Soll man nun diese eine Welle suchen und bekämpfen? Die Normen legen fest, wie stark etwas stören darf (Höhe der Wellen) und welche Störpegel ein System aushalten muss (Flughöhe). Alles dazwischen ist Sicherheit und sorgt dafür, dass Informatiksysteme und Produktionsanlagen zuverlässig funktionieren. Diese Sicherheit erhält man, indem man sich bei der Elektroinstallation konsequent an die Grundregeln hält.

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Abbildung 1: Der Stromkreis für die Störungen ist optimal geschlossen.
Quelle: Creafield Ziegler
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Abbildung 2: Mangelhafter Schirmanschluss (3) an FU oder Motor.
Quelle: Creafield Ziegler

Schwierige Ursachensuche

Wenn es einmal so weit ist, dass der Sicherheitsabstand Null ist und ein System regelmässig abstürzt, dann ist die Ursachensuche oft schwierig. Meist wurden viele Regeln über Jahre missachtet. Als EMV-Spezialist würde man nun am liebsten empfehlen, dass alles neu verdrahtet werden solle, was in einem produzierenden Betrieb schwierig umzusetzen ist. Es bleibt also nichts anderes übrig, als gemeinsam durch Analyse und Messung herauszufinden, wo die Hebel mit der grössten Wirkung sind. Dann wird Schritt für Schritt verbessert und gemessen, bis wieder genügend Sicherheit besteht.

Der CE-Irrtum

Viele Elektroplaner glauben, dass die EMV-Richtlinie eingehalten ist, wenn CE-konforme Geräte eingesetzt werden. Diese Konformität bezieht sich aber lediglich auf diese Geräte selbst. Sobald auch nur ein einziges Kabel angeschlossen wird, geht die Verantwortung auf den Systemintegrator und letztendlich auf den Betreiber über.

Hauptstörquelle Frequenzumrichter

Immer häufiger werden auch für einfache Antriebsaufgaben FUs eingesetzt. Grundsätzlich keine verkehrte Sache, denn deren Energieeffizienz kommt daher, dass sie den Ausgang immer ganz ein- oder ganz ausschalten. So entstehen theoretisch keine Verluste, weil immer nur Strom oder Spannung vorhanden ist und nicht beides gleichzeitig. Dies ist jedoch nur durch schnelles Schalten möglich, dadurch entstehen aber die hohen Frequenzen. Bei einer Taktfrequenz von üblichen 4 bis 10 kHz resultieren beim Schaltvorgang Oberwellen von mehreren MHz.

Es gibt verschiedene Arten, wie Störungen von Frequenzumrichtern in ein System eingekoppelt werden können. Die häufigste Art: die kapazitive Kopplung über elektrische Felder.

Der Pfad des Störstromes

Bei jedem Schaltvorgang entsteht ein Stromstoss durch die Kapazität der Leitungen und des Motorengehäuses. Dieser Umladestrom muss nun zurück zum Zwischenkreis des Umrichters und dieser Weg geht zurück bis zum Netzfilter des Frequenzumrichters (FU) (siehe Abbildung 1).

Ein EMV-sicheres System muss den Pfad des Störstromes sicherstellen. Dieser besteht aus:

  1. Motorenkabel mit symmetrischem Aufbau und Schirm, Abstand zu allen anderen Leitungsklassen
  2. EMV-Verschraubung und metallischer Anschlusskasten am Motor
  3. Rundum Schirmanschluss beim FU durch EMV-Bride, keine Pigtails
  4. Netzfilter und FU sicher verbunden (gleiche Metallplatte)
  5. Kurze Leitung vom Filter zum FU, direkt auf Metallplatte, verdrillt, nicht in der Nähe von anderen Leitungen
  6. Netzfilter breitflächig auf Metallplatte montiert

Bei diesen Komponenten dürfen keine Fehler gemacht werden. Eine falsch konfektionierte EMV-Verschraubung am Motor, ein Kunststoff-Klemmenkasten, ein Pigtail beim Frequenzumrichter, ein Wartungsschalter ohne EMV-Funktion, eine schlechte Leitungsführung beim Netzfilter: Wenn der Pfad auch nur an einer Stelle für einen Millimeter unterbrochen wird, suchen sich die Störströme andere Wege und stören dabei IT-Netze und Steuerungskomponenten.

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Abbildung 3: Mangelhafter Schirmanschluss (3) und schlechte Filtermontage (6).
Quelle: Creafield Ziegler
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Abbildung 4: Beidseitig verbundener, ununterbrochener Kabelkanal als Back-up für mangelhafte Schirmung (3).
Quelle: Creafield Ziegler

Die Aufgabe des Netzfilters

Ob der Netzfilter im Frequenzumrichter integriert ist oder extern: Es stellt quasi die Weiche dar, über welche die kapazitiven Ströme aus dem Kabelschirm wieder zurück zum FU gelangen. Diese Aufgabe wird oft nicht beachtet, was zu fehlerhaften Verdrahtungen führt. Die Leitung zwischen Netzfilter und FU trägt dabei grosse Störströme. Sie gehört nicht mit anderen Leitungen in einen Kanal, sondern sollte separat und nahe an der Grundplatte geführt werden.

Die drei häufigsten Fehler und ihre Auswirkungen

Fehler 1: Schlechter Schirmanschluss an Motor oder FU (siehe Abbildung 2):

Die Störungen möchten möglichst nahe beim Motorenkabel zurück, also über den Schirm. Da dieser Kreis nun unterbrochen ist (ein Pigtail mit 5 cm Litze ist auch ein Unterbruch), fliessen die Ströme durch alle benachbarten Leitungen und im Erdsystem. Dadurch werden Sensor- und Busleitungen gestört.

Fehler 2: Schlechte Montage des Netzfilters (siehe Abbildung 3):

Zusätzlich zum mangelhaften Schirmanschluss ist der Netzfilter schlecht installiert. Der Strom kann nun innerhalb des Systems nicht mehr zum Filter gelangen und belastet sämtliche Leitungen. Das ganze Netz und alle Leitungen in der Umgebung werden gestört. Die Normen für die Netzrückwirkungen werden verletzt, der Betrieb wird haftbar für Schäden an Drittsystemen, Funkstörungen usw. 

Fehler 3: Kabelkanäle nicht durchgängig verbunden:

Kabelkanäle sollen zwar nie ein abgeschirmtes Motorenkabel ersetzen, doch Abbildung 4 zeigt, wie sie als Back-up sehr wirkungsvoll sind.

Dies funktioniert nur, wenn der Kanal beidseitig gut angeschlossen und an Übergangsstellen mit den entsprechenden Clips oder Erdbändern verbunden ist (bei Wanddurchführungen Massebänder mitziehen). Insbesondere wenn Leistungskabel oder empfindliche Buskabel von einem Kanal in den anderen wechseln, sollte an genau diesem Übergang ein Masseband montiert werden.

Was ist denn eine gute Verbindung?

Die beste EMV-Verbindung besteht durch direkt miteinander verschraubte Chassisteile und Kabelkanäle. Dabei muss allfälliger Lack weggeschliffen oder mittels Zahnscheiben durchbrochen werden. Jeder zusätzliche Zentimeter Draht oder Litze bedeutet ein grosser Widerstand für hohe Frequenzen. Beim Einsatz von Erdbändern sollten diese so breit und so kurz wie möglich sein. Es dominiert nicht der Widerstand, sondern die Induktivität.

Weshalb EMV auch ein Sicherheitsproblem ist

Oft ist der empfindlichste Bus der Sicherheitsbus. Das muss auch so sein, denn wenn der Betrieb nicht mehr zuverlässig läuft, darf die Safety keine Toleranz zeigen.

Wenn das Bedienpersonal allerdings einmal herausgefunden hat, dass «nur» der Safety-Bus spukt, dann kommen all die kreativen Methoden, um die Sicherheitsfunktionen zu überbrücken und die Produktion aufrechtzuerhalten. Nach dem Motto: «This machine has no brain, use your own».

Teure Begleiterscheinung: Frühausfälle von Motoren

Ein seit den Anfangszeiten der Frequenzumrichter bekanntes und doch immer wieder unterschätztes Thema sind hochfrequente Lagerströme. Wenn einer der oben beschriebenen EMV-Fehler begangen wird, dann treten verschiedene Arten von Lagerströmen auf.

Zum Messen dieser Ströme bedarf es einer Hochfrequenz-Messsonde und eines Oszilloskops. Insbesondere bei einer grösseren Anzahl eingesetzter FUs und Motoren lohnt es sich, regelmässig alle Gleichtaktströme zu messen und ein Monitoring zu führen. Dies ist ohne Betriebsunterbruch möglich und Installationsprobleme können behoben werden, bevor es zu teuren Motorenausfällen kommt.

Ein Einblick aus der Praxis: Ein halber Tag Messung an 30 Motoren bis zu 600 kW eines grossen Produktionsbetriebes zeigte bei einem Drittel der Motoren teils massive Auffälligkeiten. Bei der nächsten Wartung wurden genau diese EMV-Verschraubungen kontrolliert: Es waren alle mangelhaft.

So verschwinden EMV-Probleme nachhaltig

Schwachstellen beseitigen: Die in diesem Artikel beschriebenen Fehler im Zusammenhang mit Frequenzumrichtern gehören zu den häufigsten Ursachen von Anlagenstörungen. Die Regeln systematisch einzuhalten, gibt Sicherheit für alle:

  • Schirme der Motorenkabel beidseitig grossflächig anschliessen
  • Netzfilter sauber installieren
  • Alle Leitungen in durchgängig verbundenen Metallkanälen oder entlang metallischer Strukturen führen
  • Empfindliche Leitungen von den störenden separieren
  • Lange Netzwerkverbindungen in heiklen Umgebungen optisch ausführen

Weiterbildung der Elektro-Fachkräfte: EMV ist wie eine Kette. Jedes Glied hat seine Funktion, die es kennen muss, damit das Ganze reibungslos funktioniert.

Elektroplaner: Ein Verständnis für die Störquellen in heutigen Installationen sowie der Störpfade und der Koppelmechanismen sorgt dafür, dass schon in der Planungsphase ein sauberes und EMV-konformes Design erstellt wird.

Elektroinstallateure und -Kontrolleure: Durch gezielte Schulungen und Praxistage können Fachleute lernen, wo die EMV-kritischen Stellen sind und wie sie EMV-Probleme auch in bestehenden Installationen erkennen und beheben können.

Dokumentation und Analyse von Störungen: Manchmal zieht sich eine Störungssituation über Wochen oder Monate dahin. Die saubere, chronologische Dokumentation der Störungen und der Massnahmen hilft später im Bedarfsfall einem Spezialisten, die Probleme viel schneller zu lokalisieren.

EMV ist lösbar

EMV ist keine schwarze Magie, wie man oft hört. Die Physik dahinter ist zwar komplex, aber wer sich an die Grundregeln hält, wird normalerweise keine Probleme haben. Dabei gilt wie in vielen anderen Bereichen auch: Wer früh die notwendigen Schritte macht, spart viel Geld und sorgt für Zuverlässigkeit bei den Systemen und Zufriedenheit bei den Kunden.

creafield.ch