Lernende und «Arbeiten unter Spannung»?
Arbeiten unter Spannung ist nicht gleich Arbeiten unter Spannung, insbesondere wenn Lehrlinge betroffen sind. Je nach Arbeitsmethode gelten unterschiedlich strenge Vorschriften und Anforderungen.
Arbeiten an Anlagen die im spannungsfreien Zustand, freigeschaltet nach den 5 Sicherheitsregeln, sind, sowie Arbeiten in der Nähe unter Spannung stehender Teile (Arbeitsmethode 2), dürfen von Elektrofachkräften mit EFZ auch ohne Spezialausbildung ausgeführt werden. Bei dieser Arbeitsmethode kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass spannungsführende Teile berührt werden. Aus diesem Grund ist das Tragen einer Schutzausrüstung gegen den elektrischen Schlag zwingend nötig. Lernende müssen bei Arbeiten in diesem Umfeld zudem instruiert und überwacht werden. Bei der Arbeitsmethode 3, der Arbeit unter Spannung (AuS), gelten strengere Vorschriften.
Unterteilung von Aus 1 und Aus 2
Die Arbeitsmethode 3, das Arbeiten unter Spannung (AuS), wird unterteilt in zwei Stufen: in AuS 1 und AuS 2. Als «Arbeiten unter Spannung (AuS 1)» gelten Tätigkeiten an elektrischen Anlagen, die unter Spannung stehen, bei denen spannungsführende Teile mit Werkzeug oder Hilfsmittel bewusst berührt werden, jedoch keine Änderung der Anlage zur Folge haben. Dazu zählen unter anderem das Prüfen, Messen oder beispielsweise auch das Anbringen oder Entfernen von Abdeckungen bei möglichem Eindringen in die Gefahrenzone.
Unter «Arbeiten unter Spannung (AuS 2)» fallen sämtliche Tätigkeiten, welche die Anlage oder Teile davon verändern. Dazu zählen unter anderem ein bewusstes, beabsichtigtes Arbeiten in der Gefahrenzone sowie Arbeiten an betriebseigenen Mess-, Regel- und Steuerleitungen sowie an Messkreisen, wenn zufälliges, unbeabsichtigtes Eindringen in die Gefahrenzone nicht ausgeschlossen werden kann. Auch der Ersatz oder Einbau eines Betriebsmittels, ohne die Anlage freizuschalten, fällt unter AuS 2.
Während Arbeiten nach AuS 1 ohne spezielle Ausbildung ausgeführt werden können, bedarf es für AuS 2 eine spezielle Ausbildung wie auch nachweisliche, praktische Erfahrung. Für Lernende gelten aber andere Regeln. Diese dürfen Tätigkeiten nach AuS 1 nur dann ausführen, wenn verschiedene Auflagen erfüllt sind und die Lernenden somit als «ausgebildet für AuS 1» gelten. AuS 2 hingegen ist für Lernende nicht zulässig.
Ausgebildet für AuS 1 – Voraussetzungen
Arbeiten unter Anwendung von AuS 1 dürfen von Lernenden nur dann getätigt werden, wenn sie dafür das nötige fachliche Wissen und genügend praktische Erfahrungen ausweisen. Zusätzlich braucht es begleitende Massnahmen, damit der Lernende oder die Lernende den Status einer instruierten Person erhält. Als ausgebildet gelten Lernende, wenn sie den überbetrieblichen Kurs im dritten Lehrjahr (ÜK 3) absolviert haben und die Anwendung der 5 + 5 lebenswichtigen Regeln im Umgang mit Elektrizität am Arbeitsplatz kennen. Ausserdem müssen sie über die definierte Arbeit (AuS 1) in Theorie und Praxis instruiert worden sein, ihre Rechte und Pflichten bezüglich AuS 1 kennen und vom Berufsbildner die Befähigung für die beschriebenen Arbeiten erhalten haben. Letzterer ist ebenso verantwortlich für die Qualitätsüberwachung der ausgeführten Arbeiten. Die gesamte Ausbildung ist zudem zu dokumentieren. Nur wer all diese Kriterien erfüllt, gilt als ausgebildet für AuS 1.
Verantwortlichkeiten des Lehrbetriebs
Der Lehrbetrieb ist für die Überwachung und korrekte Umsetzung der Arbeiten verantwortlich. Die Lernenden werden vom Berufsbildner im Lehrbetrieb für die genau beschriebenen Arbeiten wie Prüfen, Messen, Anbringen und Entfernen von Abdeckungen theoretisch und praktisch ausgebildet. Die Berufsbildner instruieren die 5 + 5 lebenswichtigen Regeln im Umgang mit Elektrizität und überprüfen regelmässig die Umsetzung der lebenswichtigen Regeln im Umgang mit Elektrizität. Ausserdem legen sie schriftlich fest, welche AuS-1-Tätigkeiten die Lernenden ohne dauernde Überwachung ausführen dürfen. Sie stellen den Auszubildenden eine persönliche Schutzausrüstung (PSA) zur Verfügung und schulen sie im Umgang mit dieser. Zur Feststellung der Spannungslosigkeit stellen sie zusätzlich ein Messgerät zur Verfügung, welches die Norm SN EN 61243-3 erfüllt.
Verantwortlichkeiten der Lernenden
Nicht nur der Lehrbetrieb trägt grosse Verantwortung bei Arbeiten unter Spannung, auch Lehrlinge müssen wichtige Punkte beachten und die Vorgaben der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes konsequent einhalten. Des Weiteren muss er wissen, dass er Arbeiten unter Spannung (AuS 1) nur ausführen darf, wenn er dafür ausgebildet wurde, diese Arbeiten an verschiedenen Objekten unter Aufsicht eines Elektroinstallateurs EFZ einwandfrei durchgeführt hat und die Bestätigung gemäss Checkliste des Bildungsplans erhalten hat. Lernende müssen die Gefahren der bevorstehenden Arbeiten kennen und sich fit fühlen, diese auch auszuführen. Eine intakte und vollständige PSA und geeignete Messgeräte und Werkzeuge gehören ebenfalls zur Pflicht. Sind all diese Voraussetzungen erfüllt, dürfen nach entsprechender Ausbildung auch Lernende Arbeiten unter Spannung (AuS 1) ausführen.
Spannungsprüfer für Niederspannungsnetze
Wird eine Anlage auf Spannungsfreiheit überprüft, so muss das Messgerät die folgenden Anforderungen der SN EN 61243-3 erfüllen:
- Das Messgerät muss Spannungen über dem ELV-Grenzwert (50 VAC / 120 VDC) auch bei entladener oder fehlender Batterie zuverlässig und in geeigneter Form anzeigen.
- Die Spannung darf nicht kontaktlos gemessen werden. Es muss ein leitfähiger Kontakt zwischen spannungsführendem Teil und dem Messgerät stattfinden.
- Der Spannungsprüfer muss mit zwei Händen bedient werden können. Er weist zwei Handhaben mit Verbindungsleitung und eine Sichtanzeige (optische Anzeige) in einer der beiden Handhaben auf. Jede Handhabe enthält eine metallische Kontaktelektrode und eine Griffbegrenzung.
- Der Spannungsprüfer darf keine manuelle Skalenumschaltung aufweisen.