Gebäude: Die unterschätzten Energiesünder

Mehr als ein Viertel der Treibhausgasemissionen der Schweiz stammen von Gebäuden. Durch ein ganzheitliches Energiemanagement könnte ein Grossteil dieser Emissionen reduziert werden. Wie ein solches Konzept aussehen kann, zeigt die Autobahn-Garage Zwahlen & Wieser AG.

Gebäude
Quelle: Loxone

Die innerhalb der Schweiz in die Atmosphäre ausgestossene Menge an Treibhausgasen entspricht aktuell etwa 45 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten. 26 Prozent dieser Treibhausgasemissionen werden durch Gebäude verursacht. Rüdiger Keinberger, CEO des Automatisierungsspezialisten Loxone, ist sich sicher, dass 50 Prozent dieser Emissionen durch intelligente Haus- & Gebäudeautomation eingespart werden könnten. «Das sind keine Fantasiezahlen. Wir konnten in verschiedenen realisierten Projekten Energieeinsparungen von bis zu 50 Prozent beobachten.» In der Schweiz könnten so jährlich bis zu 6 Millionen Tonnen Treibhausgase eingespart werden.

Vollautomatisiert zur maximalen Energieeffizienz

Entscheidend ist laut Keinberger, dass ein ganzheitlicher Automatisierungsansatz gewählt wird. «Energiemanagement ist mehr als eine effiziente Heizung mit hohem Wirkungsgrad. Mehr als die PV-Anlage auf dem Dach. Mehr als eine Lüftung mit Wärmerückgewinnung. Erst wenn alle diese Komponenten automatisiert aufeinander abgestimmt arbeiten, ist echte Energieeffizienz erreicht.» Bei Loxone wurde ein einfaches, dreistufiges Modell entwickelt, das dabei helfen soll, den Energiebedarf eines Projekts besser zu verstehen, zu verwalten und effizienter zu gestalten.

Verstehen der Energiebedürfnisse: Wer ein effizientes Energiemanagementsystem realisieren möchte, sollte zunächst die Energiebedürfnisse und -flüsse eines Gebäudes verstehen. So können Energiesparpotenziale identifiziert und Energiefresser eliminiert werden.

Reduzieren des Grundstromverbrauchs: Schritt zwei konzentriert sich auf die Senkung der Grundlast. Das ist die Energie, die ein Gebäude standardmässig verbraucht.

Verlagern des Energieverbrauchs: Am Ende steht die richtige Strategie. Verbräuche, die nicht vermieden werden können, sollten in Zeitfenster verlagert werden, in denen Strom günstig oder sogar kostenlos zu haben ist, etwa dann, wenn die eigene PV-Anlage gerade genügend Strom produziert.

Wie ein ganzheitliches Energiemanagement in der Praxis aussehen kann, verdeutlicht das Beispiel der Autobahn-Garage Zwahlen & Wieser AG.

Swiss Solartank
Fast 5 Tonnen schwer, 15 Meter hoch, 2 Meter Durchmesser und ein Fassungsvermögen von über 45 000 Litern – der Swiss Solartank ist ein wichtiges Element des Energiekonzepts.
Quelle: Loxone

Ganzheitliches Energiemanagement in der Praxis

Die Inbetriebnahme des Energiemanagements bei der Autobahn-Garage Zwahlen & Wieser AG erfolgte im April 2023 nach einer grundlegenden Modernisierung der Liegenschaft. Ein besonderer Fokus lag dabei auf dem Energiemanagement des vielfältigen Gewerbeobjekts mit Büros, Wasch­anlage, Werkstatt, Lackiererei, Ausstellungsräumen und mehr. «Bei einem zukunftsgerichteten Um- und Erweiterungsbau ist ein nachhaltiges Energiekonzept unerlässlich. Eine Photovoltaikanlage gehört dazu, ist aber nur Teil eines komplexen Systems, das es ermöglicht, Energie zu speichern und alle Komponenten – ob thermisch oder elektrisch – miteinander zu vernetzen», erklärt der für die Umsetzung des Projekts verantwortliche Markus Streit, Abteilungsleiter der Gerber AG Energietechnik. Und genau ein solch umfassendes System wurde in der Autobahn-Garage realisiert. Folgende Komponenten kamen zum Einsatz:

Photovoltaikanlage: Mehr als 900 PV-Module liefern 380 kWp. Die Anlage ist der zentrale Energielieferant des Projekts.

Thermischer Energiespeicher: Fast 5 Tonnen schwer, 15 Meter hoch, 2 Meter Durchmesser und ein Fassungsvermögen von über 45 000 Litern – der Swiss Solartank ist ein wichtiges Element des Energiekonzepts. Mit dem thermischen Speicher wird vor allem das Warmwasser für die sehr energieintensive Lackieranlage bereitgestellt.

Batteriespeicher: Als Übergangslösung ist hier zunächst ein mobiler Batteriecontainer mit Second-Life-Batterien und 40 kW Leistung beziehungsweise 90 kWh Kapazität im Einsatz. In Zukunft soll eine umweltfreundliche Variante, wie beispielsweise eine Salzbatterie, zum Einsatz kommen.

• (Bidirektionale) Ladestationen: Die Autobahn-Garage verfügt über eine bidirektionale sowie 24 unidirektionale Ladestationen.

• Abwärme Luftkompressor: Der Druckluftkompressor erzeugt grosse Mengen Abwärme. Die 5 kW Energie respektive 45°C Wassertemperatur werden zur Warmwasserbereitung genutzt.

Wie ist es der Gerber AG Energietechnik nun gelungen, die verschiedenen, eigenständigen Komponenten mit unterschiedlichsten Schnittstellen zu einem ganzheitlichen Energiemanagementsystem zusammenzuführen? Die Antwort liegt in der eingesetzten zentralen Steuereinheit – dem Loxone Miniserver. «Mit Loxone haben wir ein umfassendes Energie- und Lastmanagement realisiert. Dadurch lassen sich die Energieflüsse intelligent steuern und die verschiedenen zur Verfügung stehenden Sektoren koppeln. Dazu wird bei Leistungsspitzen an verschiedenen Verbrauchern die Leistung reduziert, Verbraucher gesperrt oder Speichersysteme hinzugezogen. Dabei darf der Arbeitsfluss im Betrieb nicht behindert werden», so Markus Streit.

Mit Loxone haben wir ein umfassendes Energie- und Lastmanagement realisiert. Dadurch lassen sich die Ener­gieflüsse intelligent steuern und die zur Ver­fügung stehenden Sektoren koppeln.
Markus Streit, Abteilungsleiter Gerber AG Energietechnik

Das Energiemanagement im Detail

Eines der wichtigsten Ziele ist die Erhöhung des Eigenverbrauchs, also die optimale Nutzung der selbst produzierten Energie aus der grossen 380 kWp PV-Anlage. Diese soll möglichst nicht ins Stromnetz eingespiesen werden. Um dies sicherzustellen, managt der Loxone Miniserver alle relevanten Energieflüsse.

Als wichtiger Bestandteil des Energiemanagementsystems fungiert der Swiss Solartank als riesiger Pufferspeicher. Besteht ein solarer Überschuss, sorgt das System zunächst dafür, dass die 45 000 Liter Fassungsvermögen des thermischen Speichers auf bis zu 90° C erhitzt werden. Das entspricht circa 1800 kWh thermischer Energie. Eine Hauptaufgabe des Speichers ist es, den grossen Wärmebedarf der Lackieranlage zu decken. Diese benötigt unter Volllast rund 630 kWh und 70 bis 80° C – ein Bedarf, der mit der bestehenden Heizung nicht gedeckt werden konnte. «Erschwerend kommt hinzu, dass sowohl der Stromanschluss als auch die Platzverhältnisse sehr begrenzt sind. Deshalb hat sich die Bauherrschaft dazu entschlossen, die Solarenergie direkt mittels 15 Heizeinsätzen à 8 kW in thermische Energie umzuwandeln», erklärt Streit. 

Da die Lackieranlage der mit Abstand grösste Verbraucher ist, wird der Solartank vom automatisierten Energiemanagement priorisiert behandelt. «Im Sommer ist der Swiss Solartank meistens zwischen 80 bis 100 Prozent geladen. In den Übergangszeiten, von März bis Mai und September bis November, reicht die am Wochenende nachgeladene Energie, um den Energiebedarf der Woche zu decken. Nur in den Wintermonaten wird der Solartank über Nacht, wenn im Gebäude fast kein Wärmebedarf besteht, zusätzlich mit der bestehenden Gebäudeheizung geladen», so Streit weiter.

Unterstützung bekommt der Solartank auch von unerwarteter Stelle. Der Druckluftkompressor der Autobahn-Garage erzeugt im Betrieb grosse Mengen Abwärme. Diese wird genutzt, um das Brauchwasser der Liegenschaft vorzuwärmen. Die Abgabetemperatur liegt dabei bei 40 bis 50° C. Die Steuerung erfolgt ebenfalls über den Loxone Miniserver. «Bei der Wärmerückgewinnung besteht die Schwierigkeit darin, die Wärme des Kompressors abzuführen und gleichzeitig die Temperaturschichten im Warmwasserspeicher durch zu hohe oder zu niedrige Temperatur zu verwirbeln», sagt Streit.

Loxone Miniserver
Der Loxone Miniserver managt alle relevanten Energieflüsse im Gebäude.
Quelle: Loxone

Batteriespeicher als Puffer

Eine weitere wichtige Komponente des intelligenten Energiemanagements ist der 90-kWh-Batteriespeicher. Dieser dient vor allem dem Peakshaving. Er soll verhindern, dass der zu kleine Netzanschluss bei gleichzeitigem Betrieb von grösseren Verbrauchern überlastet wird. Als Beispiel können hier die zwei Autolifte mit je 60 kW, die Lackieranlage mit 80 kW oder die Ladeinfrastruktur mit 42 kW genannt werden. Der Batteriespeicher wird mit Solarenergie geladen und überbrückt auch hier kurzzeitige Spannungsspitzen. Deshalb ist die Kapazität gegenüber der Leistung auch eher gering.

Auch die bidirektionale DC-Ladestation dient dem Peakshaving und ergänzt den Batteriespeicher um zusätzliche 10 kW. Die Anbindung an das Loxone Energiemanagement System erfolgte über die Modbus-TCP-Schnittstelle. Überhaupt spielen die insgesamt 25 E-Ladestationen beim Lastmanagement eine zentrale Rolle. Um Lastspitzen zu vermeiden und die E-Autos möglichst nur mit solarem Überschuss zu laden, wurden vier Lademodi von 25 bis 100 Prozent Leistung definiert. In Abhängigkeit der aktuellen Situation werden die Lademodi vom Miniserver automatisch gesetzt. Die Ladestationen werden in der Nacht auf 40 Prozent Ladeleistung reduziert. Am Tag stehen prinzipiell 100 Prozent Leistung zur Verfügung. Ausser bei einer Stromspitze – dann reduziert der Loxone Lastmanager die Leistung schrittweise.

Kostenreduzierung von bis zu 50 Prozent

Auch die komplette Heizungssteuerung erfolgt über Loxone, in der sowohl Deckenstrahler, Radiatoren, Lufterhitzer sowie eine Fussbodenheizung zum Einsatz kommen. «Die Heizkreisgruppen werden über ein 0-10V Signal angesteuert und die Vor- und Rücklauftemperaturen mit 1-Wire-Fühlern gemessen. In der Peripherie haben wir Loxone Stellantriebe sowie Mischventile im Einsatz. Die Raumklimawerte erfassen wir einfach über Loxone Raumklimasensoren», erläutert Streit. Die intelligente Einzelraumregelung des Systems ermöglicht es, in den verschiedenen Bereichen des Objekts unterschiedliche Soll-Temperaturen zu gewährleisten, die hinterlegte Fuzzy-Logic des Miniservers sorgt dafür, dass die gewünschten Temperaturen so energieeffizient wie möglich erreicht werden. «Möchte man ein Projekt wirklich energieeffizient klimatisieren, ist bei der Heizung aber eben noch lange nicht Schluss», erklärt Markus Streit. Deshalb bekommt die Raumheizung Unterstützung durch die intelligente Beschattung. Liegt ein Raum unter der gewünschten Soll-Temperatur und besteht ein solarer Ertrag, lässt die Beschattung diese Wärme ins Gebäude, anstatt einfach aufgrund der Helligkeit zu beschatten. «Im Sommer funktioniert das natürlich umgekehrt. Zusätzlich haben wir über die motorisierten Dachfenster eine Nachtauskühlung realisiert», so Streit.

Eine präsenzabhängige Steuerung der Heizung, Beleuchtung sowie des Audio-Systems sorgt – neben einem angenehmen Umfeld für Mitarbeiter und Kunden – dafür, dass die Grundlast möglichst gering gehalten und keine Energie verschwendet wird. Wie genau sich die Modernisierung auf den Energieverbrauch der Autobahn-Garage Zwahlen & Wieser AG auswirkt, kann aktuell noch nicht gesagt werden, da das System erst seit Kurzem in Betrieb ist und aktuell noch optimiert wird. «Die ersten Zahlen sind jedoch sehr vielversprechend und es zeichnet sich eine deutliche Kostenreduzierung von bis zu 50 Prozent ab», freut sich Fred Zwahlen, Mitglied der Geschäftsleitung.

loxone.com