Blitzschutz bei Holzbauten

Nicht nur Chalets und Einfamilienhäuschen werden hier­-zulande aus Holz gebaut. Auch Schulgebäude, Brücken, Parkhäuser und sogar Hochhäuser. Der Trend diesbezüglich ist zunehmend. Planer und Errichter von Blitzschutzanlagen bei Holzbauten werden vor einige Herausforderungen gestellt.

Blitzschutz
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Holzbauten weisen in den Geschossen über Terrain meist keine nutzbare Bewehrung auf, die in das Blitzschutzsystem integriert werden könnte. Der Trennungsabstand im Dachbereich, aber auch im Fassadenbereich steigt somit mit der Gebäudehöhe. Hohe Trennungsabstände erschweren die Koordination zwischen Komponenten des Blitzschutzsystems und inneren Systemen. Bei einem allfälligen Durchschlag des Blitzschutzsystems auf innere Systeme kann Brandgefahr herrschen. Um dieses Risiko zu minimieren, sind die Trennungsabstände zu berechnen und durch geeignete Massnahmen zu minimieren beziehungsweise auf ein vertretbares Mass zu verringern.

Vorgaben bezüglich Trennungsabstand

Gemäss der neuen Norm SN 414022 «Blitzschutzsysteme», die seit Anfang 2024 in Kraft ist, sind Trennungsabstände zwischen Teilen des Blitzschutzsystems (Fangeinrichtungen und Ableitungen) und metallenen Teilen und elektrischen Installationen des zu schützenden Gebäudes, wenn immer möglich, einzuhalten.

Trennungsabstandsberechnung nach SN 414022

Bei der Berechnung des Trennungsabstandes nach SN 414022 ist ein entscheidender Faktor die Länge A entlang der Fangeinrichtung und/oder der Ableitung von dem Punkt, an dem der Trennungsabstand ermittelt werden soll, bis zum nächstliegenden Punkt des Potenzialausgleichs. Hierbei stellt sich die Frage, wo sich dieser Punkt bei einem Holzbau befindet. Da sich die nutzbare Bewehrung, die als Potenzialausgleich beziehungsweise als sogenannte Äquipotenzialfläche und somit als Bezugsebene für die Berechnung wirkt, in den Geschossen unter Terrain befindet, steigt diese Länge A mit der Gebäudehöhe. Der Trennungsabstand steigt ebenfalls mit der Gebäudehöhe. Bei einem Gebäude aus Stahlbeton kann diese Länge, unter Miteinbezug der Gebäudebewehrung, beeinflusst werden, beispielsweise durch die Erstellung einer Äquipotenzialfläche am Dachrand, um die Trennungsabstände zwischen Fangstangen und deren zu schützenden Dachaufbauten auf der Dachfläche zu verringern.

Bei der Berechnung nach SN 414022 werden einige Faktoren, die grossen Einfluss auf eine mögliche Verringerung des Trennungsabstandes haben, nicht berücksichtigt. Die hierdurch errechneten Resultate können somit als konservativ und «auf der sicheren Seite» erachtet werden. Da allerdings hohe errechnete Trennungsabstände im Holzbau die Koordination zwischen dem Blitzschutzsystem und inneren Systemen erschweren und somit nicht zielführend sind, ist die Berechnung nach SN EN 62305-3 «Schutz von baulichen Anlagen und Personen» zu bevorzugen.

Berechnung
Quelle: Arnold

Trennungsabstandsberechnung nach SN EN 62305-3

Im Vergleich zur Berechnung nach SN 414022 werden in der Trennungsabstandsberechnung nach SN EN 62305-3 die Faktoren der Blitzstromaufteilung von der Einschlagstelle bis zur Äquipotenzialfläche sowie das Isoliermaterial, das sich zwischen Komponenten des Blitzschutzsystems und benachbarten Systemen befindet, berücksichtigt. Die SN EN 62305-3 unterscheidet zwischen den Berechnungen im Dachbereich und im Fassadenbereich.

Dachbereich

Für die Berechnung des Trennungsabstands im Dachbereich ist es entscheidend, wie oft der Blitzstrom von der Einschlagstelle bis zur Äquipotenzialfläche aufgeteilt wird. Je besser die Blitzstromaufteilung, desto tiefer wird der Trennungsabstand.

Folgende Formel kommt zur Anwendung:

Formel

Für die Stromaufteilung gelten folgende Regeln:

Bei der Einschlagstelle (als Beispiele A, B und C) wird der Strom durch die Zahl der möglichen Strompfade geteilt. Hieraus resultiert der erste kc-Faktor. Der Strom und somit auch der kc-Faktor wird an jeder Kreuzungsstelle entlang der Fang- beziehungsweise Ableitung um 50 Prozent reduziert. Der Faktor wird so lange um 50 Prozent reduziert, bis zu einem Wert von kc, der nicht weniger als 1/n betragen darf (n = Gesamtzahl der Ableitungen). Den errechneten kc-Faktoren sind die zugehörigen Längenabschnitte der Fang- bzw. Ableitungen zuzuweisen.

Berechnungsbeispiel Dachbereich

Befolgt man die Regeln für die Stromaufteilung, resultiert der erste kc-Faktor mit 0,5. Folglich resultiert kc2 mit 0,25 und kc3 mit 0,125. Unter Berücksichtigung der Maschenweite sowie der Gebäudehöhe ergeben sich die zugehörigen Längenabschnitte für die kc-Faktoren (L1 = 2.5 m; L2 = 5 m; L3 = 20 m bis zum Fundamenterder). Der errechnete Trennungsabstand an der Einschlagstelle beträgt somit 0,80 m.

Massnahmen

Effektive Methoden, um den Trennungsabstand zu senken, sind die Verengung der Maschenweite der Fangeinrichtung sowie das Verlegen zusätzlicher Ableitungen. Falls der Trennungsabstand nicht ausreichend gesenkt werden kann, besteht die Möglichkeit, die Fangeinrichtung von der Dachfläche zu distanzieren (Distanziertes LPS), um einen Durchschlag auf innere Systeme zu verhindern.

Fassadenbereich

Für die Berechnung des Trennungsabstands im Fassadenbereich muss immer von einem Einschlag in die Dachkante ausgegangen werden. Auch hier gilt, je öfter der Blitzstrom von der Einschlagstelle bis zur Äquipotenzialfläche aufgeteilt wird, desto tiefer wird der Trennungsabstand. Dies kann in der Planung und Ausführung beeinflusst werden, indem die Anzahl der Ableitungen erhöht wird oder indem die Ableitungen im Fassadenbereich mit Ringleitungen untereinander verbunden werden. Je nach Gebäudestruktur gestaltet sich eine Erhöhung der Ableitungsanzahl als schwierig (vorgegebene Stützenabstände). Anhand von zwei Berechnungsbeispielen wird die Wirksamkeit der Massnahme von Ringleitungen im Fassadenbereich aufgezeigt.

Es kommt die gleiche Formel wie für die Berechnung im Dachbereich zur Anwendung. Die kc-Faktoren werden jedoch anders berechnet.

Berechnungsbeispiel Fassadenbereich ohne Massnahmen

Für die Berechnung wird von einem Holzgebäude mit vier identischen Fassaden ausgegangen. Die Länge der Ableitung bis zur Äquipotenzialfläche bildet den ersten kc-Faktor. Da in der Fassade keine weitere Stromaufteilung stattfindet, ist die Berechnung nur unter Berücksichtigung von einem kc-Faktor durchzuführen. Der berechnete Trennungsabstand an der Einschlagstelle beträgt 1.02 m. Dieser nimmt linear mit der Gebäudehöhe ab.

Berechnungsbeispiel Fassadenbereich mit Massnahmen

Der Trennungsabstand des gleichen Gebäudes wird berechnet unter der Berücksichtigung der Massnahme von drei Ringleitern, die sämtliche Ableitungen miteinander verbinden. Unter Berücksichtigung der Stromaufteilung resultieren vier kc-Faktoren. Der berechnete Trennungsabstand an der Einschlagstelle beträgt 0,32 m. Dieser nimmt nicht linear mit der Gebäudehöhe ab, sondern unter Berücksichtigung der kc-Faktoren für die Stromaufteilung.

Fazit

Trennungsabstände bei Holzbauten sind, wenn immer möglich, einzuhalten. Insbesondere bei Holzbauten mit grösserem Bauvolumen beziehungsweise hoher Gebäudehöhe kann die Planung und Ausführung von effizienten Blitzschutzsystemen sehr aufwendig sein. Ebenfalls ist der Start der Blitzschutzplanung in einer frühen Projektphase von Vorteil.

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