Ladeinfrastruktur: Sicherheit geht vor

Die Sicherheit hat bei Ladeinfrastrukturen oberste Priorität. Vom Hausanschlusskasten (HAK) bis zum Fahrzeug müssen Schutz von Personen, Sachwerten sowie auch die Betriebs- und Versorgungssicherheit gewährleistet sein. Durch ausgeklügelte Technik, aber auch mit ganz einfachen Mitteln lassen sich sicherheitsrelevante Risiken zwischen HAK und Ladepunkt beseitigen.

Ladestation
Quelle: Simplee

Als Übergabepunkt zwischen öffentlichem Stromnetz und der privaten Hausinstallation stellt der Hausanschlusskasten (HAK) respektive die Hausanschlusssicherung eine zentrale Schnittstelle dar, die entsprechend geschützt werden muss. Im Zusammenhang mit der E-Mobilität sind vor allem zwei Risikofaktoren von Bedeutung: die Überlastung durch zu viel Leistungsbezug und die Schieflast aufgrund ungleicher Stromverteilung auf die drei Aussenleiter, was zu netzseitigen Problemen führen kann. Im Folgenden wird anstelle der Hausanschlusssicherung der branchenübliche Begriff «HAK» (Hausanschlusskasten) verwendet.

Das Risiko einer Überlastung entsteht vor allem dadurch, dass der HAK oft den Flaschenhals einer elektrischen Installation bildet. Ein zu hoher Stromverbrauch durch diverse Verbraucher inklusive E-Mobilität kann zu einer Unterbrechung der Stromzufuhr führen, was neben Unannehmlichkeiten auch zu Sicherheitsrisiken führen kann. Um einer HAK-Überlastung vorzubeugen, ist jedoch kein teurer Ausbau notwendig. Ein intelligentes Lastmanagement hilft dabei, die Last gleichmässig zu verteilen und Überlastungen zu vermeiden.

Volle Leistung dank dynamischem Lastmanagement

Mittels Strom- und Spannungsmessung in der Hausleitung wird der aktuelle Leistungsfluss ermittelt. Dies ermöglicht es, die verfügbare Kapazität für Ladeeinrichtungen präzise zu bestimmen. Ein dynamisches Lastmanagement zwischen Gebäude und Ladeinfrastruktur ist folglich in der Lage, der E-Mobilität die maximal verfügbare Leistung bereitzustellen, ohne den HAK zu überlasten. Dieser dynamische Ansatz hat gegenüber einem statischen Lastmanagement den Vorteil, dass die Ladeinfrastruktur zu Randzeiten die volle Leistung zum Laden nutzen kann. Ein statischer Wert schränkt die optimale Verteilung der zur Verfügung stehenden Leistung zwangsläufig ein, wodurch Elektrofahrzeuge langsamer laden, als es der HAK zu Randzeiten eigentlich erlauben würde.

Betriebs- und Versorgungssicherheit bei Strom- oder Internetausfall

Sollte es netzseitig zu einem Ausfall kommen, ist es wichtig, dass sich die Ladeinfrastruktur selbst wieder aktivieren kann. Ladestationen sollen zum Beispiel nach einem Stromausfall selbstständig einen begonnenen Ladevorgang wieder fortsetzen, damit es für die Nutzer zu keinen bösen Überraschungen in Form von tiefen Ladeständen kommt, weil ein Ladevorgang schon nach kurzer Dauer abgebrochen wurde.

Häufiger als ein Stromausfall ist ein Unterbruch der Internetverbindung. Damit der HAK auch im Fall eines Internetausfalls geschützt ist, verfügen die meisten Ladestationen über einen «Fallback-Modus», welcher bei einem Internetausfall automatisch aktiviert wird. Die Ladestationen laden dann mit gedrosselter Leistung weiter, um eine Überlastung auch ohne Lastmanagement zu verhindern. Eleganter sind jedoch Lastmanagement-Lösungen, die auch offline funktionieren, damit ein Ausfall der Internetverbindung keinen Einfluss auf laufende Ladevorgänge hat. Hier befindet sich die Logik des Lastmanagements nämlich nicht in der Cloud, sondern vor Ort und es wird eine lokale Kommunikation zwischen Ladestationen und dem Lastmanagement benötigt. Diese kann beispielsweise via Funksignal oder über das bestehende WLAN, auch wenn dieses offline ist, erfolgen.

Tipp für die Praxis

Aufgrund der Norm IEC 62196 dürfen Ladestationen erst Spannung auf die Kontakte der Typ 2-Buchse schalten, nachdem eine Kommunikation mit dem Fahrzeug aufgebaut wurde und das Ladekabel beidseitig verriegelt wurde. Im Gegensatz zu einer herkömmlichen Steckdose liegt bei einer Typ 2-Buchse im ausgesteckten Zustand somit keine Spannung an. Um Messungen an der Typ 2-Buchse durchführen zu können, wird deshalb neben einem geeigneten Installationstester zusätzlich ein Prüfadapter benötigt.

HAK und Verteilnetz in Schieflage? Schieflastenmanagement schafft Abhilfe!

Eine Schieflast am HAK entsteht, wenn zu viele Verbraucher nur auf bestimmten Aussenleitern, und nicht auf allen Phasen gleichmässig Strom beziehen. Durch einphasig ladende Autos kann diese Schieflast noch vergrössert werden, was zu grossen Asymmetrien am HAK und auch im Verteilnetz führen kann. Intelligente Ladesysteme verfügen deshalb über ein Schieflastenmanagement. Dies bedeutet, dass das System automatisch erkennt, welche Aussenleiter am HAK am stärksten belastet sind und 1-phasig ladende Fahrzeuge selbstständig auf einen weniger belasteten Aussenleiter schaltet, um die Schieflast zu minimieren. Dies setzt voraus, dass die Ladestationen über die Möglichkeit einer Phasenumschaltung verfügen. Hiermit ist die Fähigkeit der Ladestation gemeint, jeden Aussenleiterkontakt der Typ-2-Buchse über Relais mit einem beliebigen Aussenleiter verbinden zu können. Die Notwendigkeit für eine dynamische Phasenumschaltung kommt daher, dass 1-phasig ladende Autos standardmässig auf dem L1-Aussenleiterkontakt der Typ 2-Buchse laden.

Dass das Schieflastenmanagement netzdienlich ist, verdeutlicht eine Ergänzung zu den Werkvorschriften CH 2021 durch das VSE: Verfügt eine Ladeinfrastruktur mit mehr als zwei Ladestationen über ein lokales, dynamisches Schieflastenmanagement am HAK, kann auf die Beschränkung des ein- oder zweiphasigen Bezugs auf 16 A verzichtet werden.

Vorausschauende Planung ist das A und O

Die grössten Risiken für die Ladeinfrastruktur sind Kurzschlüsse, Sicherungsüberlastungen oder Ausfälle der Internetverbindung, welche zu einem Ladestopp der Elektrofahrzeuge führen können.

​Eine Minimierung dieser Risiken kann mit einer vorausschauenden Planung der Infrastruktur erreicht werden. Leitungsquerschnitte müssen nach den anerkannten Regeln der Technik (bspw. NIN) korrekt dimensioniert werden.

Die Dimensionierung der geforderten Kapazität der Ladeinfrastruktur kann anhand der SIA 2060 auch im Hinblick auf einen möglichen Ausbau der Infrastruktur berechnet werden. Die Integration eines Offline-Lastmanagements verhindert zudem eine Limitation der Ladeinfrastruktur im Fall einer Internetstörung.

Ladestation
Schönes Feature: Eine Status-LED informiert bei modernen Ladestationen auf einen Blick über den Zustand.
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Gut geschützt vor Wind, Wetter und Vandalen

Genauso wichtig wie ausgefeilte technische Lösungen sind physische Vorkehrungen, welche die Sicherheit der Ladeinfrastruktur unterstützen. Die meisten Ladestationen verfügen mindestens über die Schutzart IP54 und den Stossfestigkeitsgrad IK10 und sind somit gut vor äusseren Einflüssen geschützt. Auch für Ladeinfrastrukturen in Garagen ist ein solcher Schutz wichtig. Reinigungsarbeiten, Staubablagerungen oder hohe Luftfeuchtigkeit können eine erhebliche Belastung für die Ladestationen darstellen. Und Langfinger machen ebenfalls keine Unterscheidung zwischen innen oder aussen installierten Ladestationen. Ein physischer Diebstahlschutz sowie eine elektronische Deaktivierung aus der Ferne können hier für zusätzliche Sicherheit sorgen.

Da die Ladebuchse durch häufiges Ein- und Ausstecken beansprucht wird, sind auch hier verschiedene Schutzvorkehrungen verbreitet. Abdeckkappen werden häufig verwendet. Aber auch die Erdanziehungskraft wird genutzt, um Schmutz- und Wasseransammlungen zu verhindern. Eine nach unten geneigte Ladebuchse beispielsweise entleert sich nach einem starken Regenguss oder einem Schneesturm von selbst und sorgt so für sicheres Laden.

Moderne Sensorik sorgt für Sicherheit

Viele Risikofaktoren können durch Sensorik in der Ladestation erkannt werden: Bei der Installation detektieren intelligente Ladestationen automatisch, welcher Netztyp angeschlossen wurde und melden falsch angeschlossene Leiter. Bei korrektem Anschluss durchläuft die Ladestation einen Selbsttest, der sämtliche mechanischen Teile auf ihre Funktionstüchtigkeit überprüft (z.B. Kabelverriegelung und Relais). Mittels Abfrage der Sensorwerte werden weitere sicherheitsrelevante Faktoren geprüft. Wurden dabei keine Auffälligkeiten festgestellt, ist die Ladestation einsatzbereit.

Im Betrieb überwachen innovative Ladestationen mit Hilfe verschiedener Sensoren konstant den Strom, die Spannung, die Temperatur, die Feuchtigkeit und weitere Faktoren, um bei Abweichungen reagieren zu können. Besteht die Gefahr von Überhitzung aufgrund starker Sonneneinstrahlung, regeln beispielsweise Ladestationen von Easee in einem ersten Schritt die Ladeleistung herunter (Derating). Bringt diese Massnahme nicht die erwünschte Besserung, fährt die Ladestation selbstständig runter, um den Personen- und Sachschutz zu gewährleisten. Via App und eingebaute LED-Leiste informiert die Ladestation zudem über detektierte Fehler.

Ladestationshersteller können aufgrund der durch die Sensoren gesammelten Daten mögliche Schwachstellen aufspüren und wo möglich mit Software-Updates beheben. Software von Ladestationen, welche über die Möglichkeit von Over-the-Air-Updates verfügen, kann so ohne Aufwand für die Endnutzer auf den neuesten Stand gebracht werden. Auch sicherheitstechnische Aspekte können mittels Softwareupdate angepasst werden.

Drei zentrale Schutzfaktoren

Der Personenschutz umfasst Massnahmen, die verhindern, dass Menschen durch elektrische Anlagen gefährdet werden, z.B. durch elektrischen Schlag und andere Gefahren. Der Sachschutz zielt darauf ab, Schäden an der elektrischen Anlage und anderen Gegenständen, wie durch Überlastungen und Kurzschlüsse, zu verhindern. Betriebs- und Versorgungssicherheit bedeutet, dass eine Anlage z.B. auch bei einem Stromunterbruch funktionsfähig bleibt oder nach Wegfall der Störung ihren Betrieb selbstständig wieder aufnehmen kann.

Keine Ladeinfrastruktur ohne Fehlerstromschutz

Ein Fehlerstromschutzschalter ist das bekannteste Schutzgerät der Elektrotechnik, welches dem Personen- und Sachschutz dient. Die NIN 2020 verlangt unter anderem, dass jeder Anschlusspunkt durch eine eigene Fehlerstrom-Schutzeinrichtung mit einem Bemessungsstrom von 30 mA AC und 6 mA DC geschützt werden muss.

Neben der traditionellen RCD-Lösung gibt es auch elektronische RCD, welche direkt in der Ladestation integriert sind. Innovative Hersteller setzen auf eine Lösung, die neben DC-Fehlerströmen auch AC-Fehlerströme erkennt. So kann bei der Installation auf einen externen RCD verzichtet werden, was Zeit und Material und damit Kosten spart.

Neben geringeren Installationskosten bietet sie weitere Vorteile: Sie ermöglicht beispielsweise automatische Selbstchecks, was die vorgeschriebene, aber oftmals vernachlässigte halbjährliche Testauslösung des RCD-Schutzschalters überflüssig macht. Die Ladestationen führen zwischen jedem Ladevorgang einen Selbstcheck durch und informieren via App und LED-Streifen im Falle einer Unregelmässigkeit. Tritt ein Fehler auf, kann mittels Aus- und Wiedereinstecken des Ladekabels der RCD zurückgesetzt beziehungsweise der Fehler quittiert werden. Vorteil: Für das Zurücksetzen des RCD wird keinerlei Vorwissen und auch kein Zugang zu Elektroverteilungen benötigt.

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