5+5 lebenswichtige Regeln
Die Sicherheit am Arbeitsplatz funktioniert dann am besten, wenn die Sicherheitsvorschriften nicht nur eingehalten, sondern auch verstanden werden. Was gelegentlich als Schikane oder übertriebene Vorsicht aufgefasst wird, schützt und rettet tagtäglich Leben. Umgekehrt lassen sich die meisten Unfälle in Zusammenhang mit Elektrizität auf das Ignorieren einer oder mehrerer lebenswichtiger Regeln zurückführen.
Die fünf Sicherheitsregeln für spannungsfreies Arbeiten sind allgemein bekannt und etabliert. Sie regeln den unmittelbaren Umgang mit Elektrizität mit dem Ziel, dass nur an spannungsfreien Anlagen gearbeitet wird. Die Arbeitsmethode «Spannungsfreies Arbeiten» ist, wenn immer möglich anzustreben, Arbeiten unter Spannung sind eine Ausnahmesituation. Für Lernende sind Arbeiten unter Spannung grundsätzlich verboten. Seit 2010 werden diese Regeln durch fünf weitere ergänzt, welche den Fokus auf die organisatorische Seite legen. Als 5+5 lebenswichtige Regeln im Umgang mit Elektrizität funktionieren sie als umfassendes System, welches die Sicherheit am Arbeitsplatz garantieren soll. Dies betrifft nicht nur unmittelbar das Installationspersonal, sondern auch deren Vorgesetzte. Nur im Zusammenspiel beider ist ein sicherer Umgang mit Elektrizität garantiert.
1. Für klare Aufträge sorgen
Man arbeitet mit klarem Auftrag und weiss, wer die Verantwortung trägt. Mitarbeitende beginnen erst mit der Arbeit, wenn der Auftrag klar verstanden wurde und die Verantwortung klar ist. Unklarheiten müssen vor der Ausführung beseitigt werden. Vorgesetzte erteilen klare Aufträge und verhindern Improvisationen. Auch überprüfen sie die Einhaltung der Sicherheitsregeln. Der Schlüssel für die Einhaltung dieser Regel ist die Arbeitsvorbereitung, zu der auch eine Risikoanalyse gehört.
2. Geeignetes Personal einsetzen
Das Personal führt Arbeiten nur aus, wenn es dafür geschult und berechtigt ist. Wenn Mitarbeitende überfordert sind, über mangelnde Fachkenntnisse oder keine Berechtigung für die zugeteilte Arbeit verfügen, sagen sie Stopp und informieren den Vorgesetzten. Diese wiederum setzen stets geschultes und berechtigtes Personal ein und lassen bei Unsicherheiten die Arbeit einstellen.
3. Sichere Arbeitsmittel verwenden
Sichere und intakte Arbeitsmittel sind unabdingbar. Dies gilt für Werkzeuge und Maschinen, aber auch für die Spannungsversorgung der Geräte. Defekte Stecker und Kabel führen immer wieder zu gefährlichen Situationen und Unfällen. Die Beurteilung der Arbeitsmittel erfolgt vor jeder Arbeit, ist kein Fehlerstromschutz für den Betrieb von Maschinen vorhanden, wird ein mobiler RCD verwendet. Die Aufgabe von Vorgesetzten liegt hierbei vor allem in der Bereitstellung von intaktem und gewartetem Werkzeug. Wer eine gute Arbeit leisten will, braucht gute Arbeitsmittel.
4. Schutzausrüstung tragen
Die persönliche Schutzausrüstung (PSA) besteht aus Kopf-, Atem-, Augen-, Gehör-, Hand- und Fussschutz sowie der Schutzkleidung. Auch eine PSA gegen Absturz oder die Elektro-PSA zählen dazu. Letztere schützt ebenfalls gegen Elektrisierung und Lichtbögen. Abhängig von der Gefährdungsbeurteilung und dem zu erwartenden Kurzschlussstrom wird die passende Schutzausrüstung getragen, insbesondere bei folgenden Arbeiten:
Schalten von NHS oder Leistungsschalter
Arbeiten in der Nähe von spannungsführenden Teilen
Arbeiten an spannungsführenden Teilen
Anbringen und Entfernen von Abdeckungen
Messen und Prüfen, wenn der Berührungsschutz der Anlage nicht mindestens IPX2 entspricht
In jedem Fall ist das Arbeiten im spannungslosen Zustand anzustreben. Vorgesetzte sorgen dafür, dass Mitarbeitende die notwendige Schutzausrüstung erhalten und richtig anwenden.
5. Nur geprüfte Anlagen in Betrieb nehmen
Anlagen werden nur in Betrieb genommen, wenn die vorgeschriebenen Kontrollen durchgeführt wurden. Die baubegleitende Erstprüfung geht jeder Inbetriebnahme voraus. Die wichtigste Prüfung hierbei ist die Sichtprüfung, gefolgt von der Funktionsprüfung und den Messungen. Vor der Inbetriebnahme wird geprüft, ob der Schutz von Personen und Sachen sichergestellt ist. Die Prüfung erfolgt mit allen Sinnen, den geeigneten Messgeräten und wird dokumentiert. Vorgesetzte kümmern sich um die Bereitstellung der Messmittel und Protokolle und überprüfen die Vollständigkeit der Kontrolldokumente.
+5 Sicherheitsregeln für spannungsfreies Arbeiten
Das Wichtigste vorweg: Jede Anlage ist so lange als unter Spannung zu betrachten, bis die Spannungsfreiheit eindeutig festgestellt ist. Wer sich an die fünf Sicherheitsregeln für spannungsfreies Arbeiten hält, ist auf der sicheren Seite.
Anlage vom Netz trennen
Beim Freischalten der Anlage ist auf eine allpolige Abschaltung zu achten. Bei hohen Lasten, zum Beispiel bei grossen Produktionsanlagen, sollte die Anlage ordnungsgemäss ausgeschaltet und erst danach freigeschaltet werden. Nachdem eine Anlage stillsteht, wird sie allseitig vom Netz getrennt. Dies ist zu diesem Zeitpunkt sicherer, da sie nur noch wenig Betriebsstrom führen sollte. Damit wird verhindert, dass beim Schalten ein Lichtbogen entsteht. Beim Schalten von NHS und Leistungsschaltern ist entsprechend dem zu erwartenden Kurzschlussstrom die Elektro-PSA zu tragen. Alle Teile einer Anlage, an denen gearbeitet wird, müssen abgetrennt werden. Alle Zuleitungen zur Arbeitsstelle müssen vor Beginn der Arbeit unterbrochen sein, damit an der Arbeitsstelle keine Spannung vorhanden ist.
Gegen Wiedereinschalten sichern
Das Sichern der Trennstellen muss immer mit geeigneten Sicherungsmitteln erfolgen. Es genügt nicht, die Sicherungseinsätze einzustecken, wenn im Betriebsraum noch weitere vorhanden sind. Die Verwendung von Isolierband ist verboten. Eine einfache Lösung ist das Abtrennen der freigeschalteten Leitung an den Abgangsklemmen oder das sichere Abschliessen des Schaltschranks. Eine weitere Variante ist das Verwenden von abschliessbaren Absperrorganen der Hersteller der Schalt- und Schutzorgane. Zusätzlich sollten Wartungsarbeiten und Reparaturen immer dem Betriebspersonal gemeldet werden.
Spannungsfreiheit prüfen
Erst wenn zweifelsfrei feststeht, dass eine Anlage oder ein Anlagenteil spannungsfrei ist, darf mit der Arbeit begonnen werden. Die Zusage von Kollegen, dass ein Anlageteil spannungsfrei sei, genügt nicht. Nur wer selbst prüft, ist sicher. Oft sorgen fehlerhafte oder nicht vorhandene Beschriftungen für Verunsicherung hinsichtlich der Spannungsfreiheit und damit für gefährliche Situationen. Damit die Spannungsfreiheit einer Anlage sicher geprüft werden kann, ist ein dazu geeigneter Spannungsprüfer erforderlich. Phasenprüfer oder Spannungsschnüffler sind nicht zulässig und gefährlich. Infrage kommen ausschliesslich zweipolige Spannungsprüfer mit fest verbundenen Messkabeln und Prüfspitzen.
Erden und Kurzschliessen
Alle aktiven Leiter eines Stromkreises werden gegen Erde kurzgeschlossen, das Erdungsset wird zuerst mit Erde und erst danach mit den aktiven Leitern verbunden. Erden und Kurzschliessen verhindert ein ungewolltes Wiedereinschalten, während am betreffenden Anlageteil gearbeitet wird. Auch werden so Restspannungen abgeleitet.
Diese Gefahr besteht hauptsächlich dann, wenn ein Stromkreis von mehreren Seiten gespeist werden kann. In Niederspannungsanlagen gibt es selten eine Doppel- oder Mehrfacheinspeisung. In vielen Niederspannungsanlagen darf auf diese Massnahme verzichtet werden, sofern gesichert ist, dass keine Gefahr von Spannungsübertragungen oder Rückspannungen besteht.
Benachbarte spannungsführende Teile abdecken
Es kommt vor, dass neben den zu bearbeitenden spannungsfreien Teilen auch spannungsführende Bereiche freiliegen. Um ein ungewolltes Berühren solcher Teile zu verhindern, werden geprüfte Abdecktücher und Klammern oder Abdeckungen verwendet. Die Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitenden und Vorgesetzten ist wichtig, um einen sicheren Umgang mit Elektrizität zu gewährleisten. Klare Aufträge, Schulung des Personals, Bereitstellung intakter Arbeitsmittel und strikte Einhaltung der Sicherheitsregeln sind der Schlüssel für sicheres Arbeiten. So werden Unfälle verhindert und die Sicherheit der Mitarbeitenden am Arbeitsplatz gewährleistet.